Osservatorio delle libertà ed istituzioni religiose

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Osservatorio delle Libertà ed Istituzioni Religiose

Documenti • 17 Maggio 2005

Decisione 02 novembre 1994

Tribunale federale svizzero. Decisione 2 novembre 1994: “Tutela penale del sentimento religioso”.

(Omissis)

Fatti

A.- Ende 1992 erschien im X. Verlag in Zürich das Buch “XY”.
Dieses von mehreren Autoren verfasste Werk ist als Informationsschrift über Gruppierungen mit totalitärer Tendenz gedacht. Es entstand im Auftrag und mit Unterstützung der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich.
Im Januar und Februar 1993 reichten A. und zehn weitere Privatpersonen, die Scientology Kirche Zürich sowie die Eidgenössisch Demokratische Union des Kantons Zürich bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich eine Strafanzeige gegen Regierungsrat P., K., den Chef der Abteilung Volksschule bei der Erziehungsdirektion, sowie gegen drei Autoren und den Illustrator des Buchs ein. Sie machten geltend, die Publikation des Buchs “XY” erfülle den Straftatbestand der Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit (Art. 261 StGB).
Die Bezirksanwaltschaft Zürich verfügte am 8. Juli 1993, dass die Strafuntersuchung wegen Verletzung von Art. 261 StGB gegen Regierungsrat P. nicht anhand genommen und diejenige gegen die übrigen Beschuldigten definitiv eingestellt werde. Da die Bezirksanwaltschaft davon ausging, dass den Anzeigeerstattern keine Geschädigtenstellung zukomme, teilte sie ihnen die definitive Einstellung des Verfahrens lediglich brieflich mit und verzichtete auf die Zustellung einer formellen Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung.
Darauf haben A. und die zehn Miterstatter der Strafanzeige sowie die Scientology Kirche Zürich mit Rekurs bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, es sei ihnen eine begründete Einstellungsverfügung mit Rechtsmittelbelehrung zuzustellen. Die Staatsanwaltschaft wies die Rekurse am 7. Oktober 1993 ab.
A. und die zehn Miterstatter der Strafanzeige einerseits sowie die Scientology Kirche Zürich andererseits haben gegen die Rekursentscheide der Staatsanwaltschaft vom 7. Oktober 1993 je eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen übereinstimmend, es seien die angefochtenen Entscheide aufzuheben, und es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, ihnen die begründete Einstellungsverfügung zuzustellen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut, soweit es darauf eintritt.

Considerato in diritto:
Aus den Erwägungen:

(Omissis)

3.- (Omissis)
c) Die Staatsanwaltschaft nimmt gestützt auf die systematische Stellung des Tatbestands der Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit im Strafgesetzbuch und die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts an, dass das geschützte Rechtsgut von Art. 261 StGB allein der öffentliche Friede sei. Diese Strafbestimmung verbiete nicht bereits alle Äusserungen, die das religiöse Empfinden des Durchschnittsbürgers verletzten, sondern nur jene, die eine Störung des Religionsfriedens herbeiführten. Der Private könne sich zwar durch strafbare Handlungen gemäss Art. 261 StGB verletzt fühlen, doch handle es sich dabei lediglich um eine mittelbare Beeinträchtigung. Eine Geschädigtenstellung könne er daher in einem Strafverfahren betreffend Art. 261 StGB nicht beanspruchen.
Diese Auffassung beruht auf einer unzutreffenden Interpretation der neuen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung und ist auch im Ergebnis nicht haltbar. Nach
Art. 261 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt. In einem Entscheid aus dem Jahre 1960 erklärte das Bundesgericht, das geschützte Rechtsgut dieser Bestimmung sei die Glaubensfreiheit, genauer die Achtung vor dem Mitmenschen und seiner Überzeugung in religiösen Dingen und damit gleichzeitig auch der religiöse Friede (BGE 86 IV 19 E. 3 S. 23). Diese Umschreibung des Rechtsguts von Art. 261 StGB ist in der Literatur auf Zustimmung gestossen (vgl. ROBERT HAUSER/JÖRG REHBERG, Strafrecht IV, 1989, S. 197; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 3. Aufl. 1984, S. 207; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 1989, Art. 261 N. 1). Sie wird auch in dem von der Staatsanwaltschaft angeführten neueren Urteil des Bundesgerichts betreffend den Film “Y” von Q. nicht in Frage gestellt. Der Schutz des öffentlichen Friedens erfährt hier zwar eine stärkere Hervorhebung, ohne aber den durch Art. 261 StGB geschützten Anspruch des Einzelnen auf Achtung seiner religiösen Überzeugung aufzuheben. Das Bundesgericht erklärt in diesem Entscheid, in der heutigen pluralistischen Gesellschaft erscheine es angezeigt, die Strafbarkeit von Meinungsäusserungen gemäss Art. 261 StGB auf jene Fälle zu beschränken, in denen der Täter vorsätzlich den öffentlichen Frieden gefährde, die notwendige Toleranz vermissen lasse und andere in ihren Grundrechten beeinträchtige (Urteil vom 13. März 1986 in ZR 85/1986 Nr. 44 E. 4b).
Die in diesem Urteil vorgenommene Präzisierung der Rechtsprechung besagt, dass nur jene Missachtung der religiösen Überzeugungen von anderen strafbar sein soll, die so schwerwiegend ist, dass sie zugleich den öffentlichen Frieden stört. Diese Auslegung trägt dem Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 49 und 50 BV; Art. 9 EMRK) Rechnung, indem sie die religiöse Auseinandersetzung nicht weitergehend einschränkt, als dies im Interesse des Gemeinschaftslebens erforderlich ist (vgl. PETER KARLEN, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, Diss. Zürich 1988, S. 415). Wenn die Staatsanwaltschaft aus der verstärkten Betonung des Bezugs der individuellen religiösen Überzeugungen zum öffentlichen Religionsfrieden schliesst, das geschützte Rechtsgut von Art. 261 StGB sei überhaupt nur noch der öffentliche Friede, so verkennt sie den Zweck dieses Straftatbestands. Dieser will die Verletzung religiöser Überzeugungen des Einzelnen unter Strafe stellen, allerdings nur jene, die so schwerwiegend ist, dass dadurch zugleich der öffentliche Friede gefährdet wird. Die Störung des Religionsfriedens erscheint also bei Art. 261 StGB immer als Folge einer gleichzeitigen Beeinträchtigung religiöser Überzeugungen des Einzelnen. Hierin liegt der Unterschied zum bereits erwähnten Tatbestand des Landfriedensbruchs nach Art. 260 StGB. Bei diesem umfasst die tatbestandsmässige Handlung neben der Bedrohung für den öffentlichen Frieden nicht auch die Beeinträchtigung eines individuellen Rechtsguts – die vorausgesetzten Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen sind lediglich objektive Strafbarkeitsbedingung (TRECHSEL, a.a.O., Art. 260 N. 4) -, und die allenfalls gleichzeitig beeinträchtigte körperliche Integrität und das Privateigentum sind durch besondere Strafbestimmungen (Art. 122 ff., 145 Abs. 1bis StGB) eigens geschützt (vgl. BGE 117 Ia 135 E. 2b S. 138 f.).Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sind somit neben dem öffentlichen Frieden ebenfalls die religiösen Überzeugungen des Einzelnen geschütztes Rechtsgut von Art. 261 StGB. Ob diese Bestimmung im übrigen angesichts ihrer systematischen Einordnung im Strafgesetzbuch bei den Delikten gegen den öffentlichen Frieden als primär allgemeine und nur nebenbei auch individuelle Interessen schützende Norm anzusehen ist oder als solche, die dem Schutz allgemeiner und individueller Rechtsgüter gleichermassen dient, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Auch wenn man das erstere annimmt, lässt sich nach der dargestellten, im Kanton Zürich befolgten Praxis den durch eine Straftat nach Art. 261 StGB Betroffenen die
Geschädigtenstellung nicht absprechen. Die Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung erscheint als unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung, welche ja gerade darin besteht, dass ihre religiösen Überzeugungen beschimpft oder verspottet bzw. Gegenstände ihrer religiösen Verehrung
verunehrt werden. Es ist daher willkürlich, wenn die Staatsanwaltschaft die durch eine strafbare Handlung nach Art. 261 StGB in ihrem religiösen Glauben Verletzten lediglich als mittelbar geschädigt betrachtet und daher in einem diesbezüglichen Strafverfahren nicht als Geschädigte im Sinne von §§ 40 und 395 Abs. 1 Ziff. 2 StPO zulassen will.
d) Trotz der unhaltbaren Begründung kann von der Aufhebung der angefochtenen Rekursentscheide abgesehen werden, wenn sich ihr Ergebnis mit einer substituierten Begründung ohne weiteres rechtfertigen lässt (BGE 112 Ia 129 E. 3c S. 135). Es fragt sich somit, ob die Geschädigtenstellung der Beschwerdeführer aus anderen als den von der Staatsanwaltschaft angeführten Gründen zu verneinen ist.
Nach den voranstehenden Erwägungen sind die Beschwerdeführer dann als Geschädigte zu betrachten, wenn das Buch “XY” sie in ihren religiösen Überzeugungen zu verletzen geeignet ist, weil darin ihre Glaubensansichten in einem ungünstigen Licht dargestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutz von Art. 261 StGB nicht nur auf den Glauben des Individuums, sondern – in Entsprechung mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Art. 49 und 50 BV (vgl. BGE 118 Ia 46 E. 3b S. 52; 116 Ia 252 E. 5a S. 257; 97 I 116 E. 3a S. 120) – auch auf kollektive religiöse Überzeugungen und damit auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften erstreckt.
Inwieweit im Lichte dieser Kriterien die Geschädigtenstellung der Beschwerdeführer zu bejahen ist, kann aufgrund der vorliegenden Akten nicht abschliessend beurteilt werden. Mit Bezug auf einzelne Beschwerdeführer ist nicht ohne weiteres ersichtlich, ob das Buch kritische Äusserungen zu ihrem Glauben enthält, mit Bezug auf andere ist offen, ob die verletzten Interessen überhaupt religiöser Natur sind. Eine Substituierung der Begründung kommt unter diesen Umständen nicht in Frage.