Osservatorio delle libertà ed istituzioni religiose

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Osservatorio delle Libertà ed Istituzioni Religiose

Documenti • 26 Agosto 2003

Sentenza 01 agosto 1995

Tribunale amministrativo austriaco. Sezione di Vienna. Sentenza 1 agosto 1995.

Ms. Elfriede Fasching – Pres. e Rel. Obransky

(omissis)

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien gelangt auf der Basis der vorhandenen Ermittlungsergebnisse zu folgender Beweiswürdigung:

Gemäß ß 1 Abs. 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.

Das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes wird dann gegeben sein, wenn ein Verein seinen Mitgliedern – wenn auch zur Förderung des ideellen Zweckes – Leistungen anbietet und erbringt oder Waren an die Mitglieder vertreibt und dies in einer Art und Weise vor sich geht, die vergleichbar ist mit dem Auftreten und die Gestion eines einschlägigen Gewerbebetriebes. Hiebei kommt es insbesondere darauf an, wie sich der Verein hinsichtlich der üblicherweise von Gewerbebetrieben ausgeübten Tätigkeiten dem Publikum gegenüber präsentiert (HB 1988).

Die Nachaltigkeit der Entfaltung einer entgeltlichen Tätigkeit durch einen Verein soll die widerlegliche Vermutung begründen, daß Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Diese Rechtsvermutung ist bei Vereinen nicht auzuwenden, bei denen amtsbekannt ist, daß sie nicht in Ertragsabsicht handeln, weil sie wohltätigen sozialen Zwecken udgl. dienen.

Bei der Scientology-Kirche …sterreich ist nun die Absicht der Gewinnerzielung (“Erzielung eines Ertrages oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteiles”) trotz der hohen Beträge, die z.B. für die Teilnahme an einem “Reiningungs-Rundown” oder an einem “Scientology-Processing” zu zahlen sind, nicht erweislich, und zwar aus folgenden Gründen:

Abgesehen davon, daß “Scientology” vor nicht einmal 2 Jahren auch in den USA, dem Land mit der wohl größten Verbreitung der Scientology-Kirche, von der dortigen Steuerbehörde nach jahrzehntelanger, genauer Prüfung den Status einer gemeinnützigen, “bona fide Religion” erhielt, konnte die Berufungswerberin im Hinblick auf die aktenkundigen Vereinsstatuten sowie die zahlreiche, von ihr beigebrachten, theologischen und recthswissenschaftlichen Gutachten hinreichend glaubhaft machen, daß es sich bei der Scientology Kirche (…sterreich) um eine Religion handelt, der in …sterreich der Status einer gesetzlich nicht anerkannten Religionsgemeinschaft zukommt.

“Reinigungs-Rundown” oder “Scientology-Processings” erfolgen in Anwendung der religiösen Lehre von Scientology, die auf den Schriften ihres Gründers Ron Hubbard fußt und stellen nach dem Selbstverständnis der Scientology-Kirche, das auch aus den Statuten des Vereines hervorgeht, religiöse Handlungen dar. Den – absolut gesehen – hohen Preis für die Erbringung solcher Leistungen auch an Nichtmitglieder erklärte die Berufungswerberin – durchaus nicht unschlüssig – damit, daß “Scientology” von den Mitgliedern keine ständigen “Mitgliedsbeiträge” einhebt, sondern es würden die umfangreichen Aufgaben des Vereines mangels anderer Einnahmequellen über die aus der Durchführung dieser Handlungen eingenommenen Beträge finanziert. Das durch die “Kurse” eingenommene Geld fließe auch nicht den Vereinsmitgliedern zu, sondern diene einzig und allein der Erfüllung des Vereinszwecks.

Die Berufungswerberin hat in ihrem Vorbringen zur Verwendung (Aufteilung) der Einnahmen des Vereines auch glaubhaft dargestellt, daß der Verein in den letzten Jahren jeweils einen mehr oder minder großen Verlust erwirtschaftet hat.

Dazu wird ergänzend angemerkt:

Das besondere Merkmal der Scientology-Kirche ist zweifellos die Einhebung hoher Beiträge für die Erbringung bestimmter Leistungen, für deren “Erfolg” keine Garantie gegeben werden kann. Glaubt man der Berichterstattung in Büchern und Zeitschriftenartikeln, die fast durchwegs kritisch bis ablehnend ist, so werden Interessenten oder Hilfesuchenden auf dem Weg, den ihnen “Scientology” anbietat, von Anfang an bzw. bis zur Erreichung fortgeschrittener Ebenen immer höhere Geldbeträge für die verschiedenen Kurs abverlangt, es ist daher leicht verständlich, daß sich Personen, deren Erwartungen nicht erfüllt werden, gleichsam um ihr Geld “betrogen” fühlen und gerne bereit sind, ihre Frustration im Rahmen der Berichterstattung in verschiedenen Medien darzustellen.

Auf der anderen Seite ist praktisch jede Form von ernsthafter Religionsübung mit Opfern verbunden, man denke etwa nur an das Schleiergebot oder das Alkoholverbot, die Fasten- und Gebetsvorschriften im Islam, die zahlreichen Gebote, die Gläubige der mosaischen Religion zu befolgen haben, wie beispielsweise die koshere Küche, die in der Haushaltsführung einen besonderen Aufwand erfordert, aber auch an die Einschränkungen, denen sich Gläubige freiwillig unterwerfen, die in der katholischen Kirche Priester werden oder in einen Frauen- oder Männerorden eintreten wollen. Auch die asiatischen Religionen wie Hinduismus oder Buddhismus verlangen von den Gläubigen, eine bestimmte Lebensweise einzuhalten, die mit dem Verzicht auf zahlreiche “weltliche Genüsse” einhergeht. In diesem Zusammenhang stellt die Zahlung höherer Geldbeträge, die bei “Scientology” z.B. für ein “Dianetik-Processing” aufzuwenden ist, zwar zweifellos ein finanzielles Opfer dar, das aber wohl auch nicht schwerer wiegt als die vielfach gravierenden Einschränkungen, welche die Gläubigen in anderen Kirchen oder Religionsgemeinschaften auf sich nehmen müssen.

überdies wird auch an großen Glaubensgemeinschaften häufig mehr oder weniger scharfe Kritik geübt:

Beinspielsweise sieht sich die katholische Kirche in …sterreich gerade in den letzten Monaten teils heftiger Kritik und Reformationswünschen gegenüber, die mit Sicherheit (trotz der Hartnäckigkeit und Häufigkeit der Kritik) ein falsches Bild über die tatsächliche Akzeptanz der katholischen Kirche vermitteln, da praktisch fast ausschließlich die Kritiker zu Wort kommen und kirchentreue Kreise sich entweder nicht artikulieren oder kein Gehör finden oder – wenn sie Gehör finden – dafür erst recht kritisiert, wenn nicht gar verächtlich gemacht werden.

Zweifellos gibt es in vielerlei Hinsicht kaum Vergleichbares zwischen der katholischen Kirche und der Scientology-Kirche, aber auch die Anhänger von Scientology genießen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Garantien der Religionsfreiheit als Bestandteil des Grundrechtskataloges.

Bei “Scientology” ist, wie erwähnt, die Berichterstattung so gut wie ausschließlich negativ in ihrem Tenor.

Laut ergänzender Angabe der Berufungswerberin ist aber die weltweite Zahl der Anhänger von “Scientology” von ca. 5 Millionen Menschen im Jahr 1985 auf rund 8 Millionen Menschen im Jahr 1995 gestiegen.

Allein diese Entwicklung läßt zwingend darauf schließen, daß en eine große und steigende Zahl von Menschen geben muß, die in der Lehre von “Scientology” zufriedenstellende Antworten auf ihre Fragen nach dem “Woher und Wohin” oder nach einer Richtschnur für ihre Lebensführung finden und auch durchaus bereit wären, dies anderen mitzuteilen, die “Zufriedenen” kommen aber in der Berichterstattung über “Scientology” – zumindest in …sterreich – praktisch überhaupt nicht vor.

Ein Urteil, in dem pro und kontra nicht im geringsten abgewogen wird, ist aber immer ein Vorurteil!

“Scientology” wird ja durchwegs übertrieben dämonisiert und als besonders gefährliche Sekte gebrandmarkt, verschiedene Behörden sehen sich daraufhin offenbar aufgerufen, diese “Gefahr” mit den Mitteln des Gesetzes möglichst einzudämmen.

Wenn aber mündige Staatsbürger glauben, sich ihr Seelenheil gleichsam kaufen zu können und bereit sind, dafür hohe Geldbeträge zu bezahlen, bedarf es nach Meinung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien nicht unbedingt der staatlichen Intervention, um en Versuch zu unternehmen, dies nach Möglichkeit zu verhindern.

Im gegenständlichen Verfahren ist jedenfalls entgegen den Ausführungen der Erstbehörde nicht hervorgekommen, daß der Verein “Scientology Kirche …sterreich” seine Leistungen (nur) an die Mitglieder erbringt, der Verkauf von Waren wurde im Spruch des Straferkenntnisses nicht sanktioniert. Inwiefern weiters der Verein bei der Erbringung der im Spruch angeführten Leistungen “wie ein einschlägiger Gewerbebetrieb” auftritt, ist im Verfahren gleichfalls nicht hervorgekommen, hingegen konnte die Berufungswerberin mit zahlreichen Beweismitteln letztlich hinreichend glaubhaft machen, daß die inkriminierten Handlungen religiösen Zwecken im Sinne der Lehre von Scientology und nicht Erwerbszwecken dienen und daß weiters die dafür eingehobenen Beträge der Finanzierung des (religiösen) Vereinszweckes zugeführt werden und nicht den Vereinsmitgliedern zufließen.

Insgesamt war jedenfalls die Beweislage dafür, daß die von der “Scientology Kirche …sterreich” angebotenen Kurse (trotz ihres hohen Preises) als Ausübung einer gewerbsmäßigen Tätigkeit im Sinne des ß 1 Abs. 2 GewO 1994 anzusehen sind, nicht ausreichend, zumal sich die Berufungswerberin gegen den Tatvorwurf mit einer eindrucksvollen Gegendarstellung zur Wehr setzte, während der Tatvorwurf selbst nur unzulänglich untermauert war. Im Zweifel war auch mangels Abgabe der erbetenen Stellungnahme davon auszugehen, daß die “Scientology Kirche …sterreich” im Bereich jener Tätigkeiten, die Gegenstand dieses Strafverfahrens sind, aus der Sicht des Finanzamtes für körperschaften vorläufig gleichfalls als gemeinnütziger Verein anerkannt ist, zumal derzeit für die Kurse, laut Aussage der Berufungswerberin, keine Umsatzsteurer u.a. zu entrichten ist und sich Gemeinnützigkeit und Gewerbsmäßigkeit begrifflich weitgehend ausschließen.

Es war daher spruchgemäß im Zweifel zugunsten der Berufungswerberin die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen.

(omissis)